Topthema Gesundheitsmanagement – kein kalter Kaffee!

In den deutschen Nachkriegsjahren des vergangenen Jahrhunderts fand man noch, Gesundheit sei ein privates Thema. Gesundheit entstand oder verging nach dem damaligen Verständnis darüber, wie „gesund“ man aß, wie viel und gut man schlief, welchen Risikofaktoren man sich aussetzte usw. Gesundheit bzw. Krankheit war dementsprechend ein Thema, das in der Arbeitswelt nur vereinzelt oder gar nicht angesprochen wurde. Der gesunde Mensch galt als belastbar, derjenige mit Erkrankungen eher weniger. Nachwirkungen dieser Zeit sind auch heute noch vielfach im Berufs- wie Privatleben anzutreffen. Zum Beispiel spricht man über Gesundheit oder Krankheit nicht oder zumindest nicht gern.

Die Idee des heutigen betrieblichen Gesundheitsmanagements ist sicher eine Konsequenz der Fortentwicklung der Gesundheitswissenschaften, wie der Psychologie und Medizin. Die meisten Menschen wissen heute, dass Gesundheit nicht allein auf biologischen Faktoren beruht, sondern ebenso von psychischen und sozialen Bedingungen beeinflusst ist.

Auch der betriebliche Arbeitsschutz in Deutschland entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten weiter. Heute wird Arbeitsschutz nicht nur als Unfallverhütung definiert. Alle Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit sind solche im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes (§ 2 ArbSchG). Nach § 3 ArbSchG ist jeder Arbeitgeber dazu verpflichtet. Er hat die gesundheitsförderlichen Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und dabei eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben. Das Gesetz beschreibt dabei keine projektbezogene, vorübergehende Aufgabe von einzelnen Gesundheitsmanagern, sondern eine permanente Führungsaufgabe.

Heutige Arbeitswelten verändern sich durch die globale, digitale Transformation unserer gemeinsamen Lebenswelt sowie durch einen fortschreitenden demografischen Wandel hin zu immer älter werdenden MitarbeiterInnen. Weitere Themen der betrieblichen Gesundheitsförderung sind dadurch wichtig geworden: das altersgerechte sowie das alternsgerechte Arbeiten. Ersteres ist an den jeweiligen Entwicklungsphasen des Menschen mit unterschiedlichen biopsychosozialen Bedürfnissen orientiert. Die moderne Psychologie und Medizin befasst sich heute mit den verschiedenen Bedingungen und gibt hierzu fundierte Empfehlungen. Daneben bleibt ein neuer, wichtiger Fokus auf ein gesundes Altern zu richten.
Moderne arbeits- und organisationspsychologische Forschungsergebnisse zeigen zudem, dass Menschen vielfach Altersmythen von abnehmender Leistungsfähigkeit ausgesetzt sind, während sie bei entsprechend günstiger Förderung und Forderung durch ihre Führungskräfte bis ins hohe Alter beeindruckende Leistungen bei hoher Motivation zeigen.

Menschen sind heute – wie wohl noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit – permanenter Veränderung ausgesetzt. Nicht nur unsere Arbeitswelt verändert sich. Auch in unserem Privatleben stellen wir uns auf neue digitale Prozesse, andere Kommunikationsmedien und –weisen um. Viele Menschen diskutieren darüber, wie sie diese neue Welt erleben, finden das smartphonegesteuerte Schweigen in der morgendlichen S-Bahn gruselig, ärgern sich über den Onlineservive der Bank. Gleichzeitig genießen viele von uns durch diese digitale Transformation unseres Lebens neue Vielfalt, Erleichterung im Alltag, Kontaktmöglichkeiten mit Freunden und Familie, die es früher nicht gegeben hätte.

Natürlich führt die Veränderung der Umgebung nicht zwangsläufig zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Jedoch zeigt sich in den aktuellen Berichterstattungen seit ein paar Jahren eine drastische Zunahme der krankheitsbedingten Ausfallzeiten, vor allem durch psychische Erkrankungen. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat für das Jahr 2015 insgesamt 587,4 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage mit einer durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeit von 15,2 Tagen je ArbeitnehmerIn pro Jahr ermittelt. Die dadurch entstehenden volkswirtschaftlichen Produktionsausfälle wurden auf insgesamt 64 Milliarden Euro bzw. der Ausfall an Bruttowertschöpfung auf 113 Milliarden Euro geschätzt (baua.de).
 

Das Thema Gesundheit bleibt topaktuell!
 

Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation stellt Gesundheit ein fundamentales Menschenrecht dar – auch in der Arbeitswelt (Rudow, 2004). Viele Unternehmen weisen betriebliche Gesundheitsmanagements vor, die allerdings noch stark auf biologische Komponenten beschränkt sind, z.B. auf Ergonomie und diverse Bewegungsangebote. Im Sinne eines modernen biopsychosozialen Verständnisses von Gesundheit muss die psychische Gesundheit einschließlich ihrer sozial ausgerichteten Komponenten jedoch noch mehr berücksichtigt werden. Mit einem präventiven Verständnis und Blick auf menschengerechte Arbeitsbedingungen im Sinne von § 2 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) haben Führungskräfte auf eine ganzheitliche Verbesserung der Arbeitswelt hinzuwirken. Dafür müssen sie nicht nur über das Wissen verfügen, was menschengerecht ist, sondern auch Prozesse integrieren, die einen permanenten Verbesserungsprozess ermöglichen. Ein seit entsprechender Ergänzung des Arbeitsschutzgesetzes im Jahre 2013 neues Instrument ist das der Psychischen Gefährdungsbeurteilung im Sinne von § 5 ArbschG (hier berät Sie gerne auch die GfeO). Diese Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung ist ein wertvolles Führungswerkzeug, was bislang vielerorts in der Diskussion noch außen vor geblieben ist. Darüber hinaus bestehen mannigfaltige Möglichkeiten in der täglichen Arbeits- und Führungspraxis, die Gesundheit von MitarbeiterInnen wie Führungskräften zu unterstützen, wie die neuere Führungsforschung zeigt (z.B. humanistische Führung; Frey, 2010).
 

Fazit:
Gesundheit ist unser höchstes Gut. Dies kommt in der Politik, der öffentlichen Verwaltung wie der Wirtschaft immer noch viel zu kurz. Lassen Sie uns den betrieblichen Arbeitsschutz nicht nur als Pflicht, sondern als Verpflichtung sehen und menschengerechte Arbeitsbedingungen unter der Leitfrage betrachten: Was können wir tun, dass Menschen hier gerne und gesund arbeiten?

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